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UX/UI Design

UX & Usability Mythen: Warum die 3 Klick Regel falsch ist!

Die 3-Klick-Regel ist einer der Mythen, die sich im Bereich UX und Usability hartnäckig halten. Sie besagt, dass jede Information auf einer Website nie mehr als 3 Klicks entfernt sein sollte, um Frustration bei den Nutzern zu vermeiden. In diesem Artikel erkläre ich, was es mit diesem Mythos auf sich hat und warum er als Usability-Regel ungeeignet ist.

Herkunft und Bedeutung der 3-Klick-Regel

Diese "Regel" geht zumindest in schriftlicher Form auf Jeffrey Zeldman zurück, der sie in seinem Buch "Taking Your Talent to the Web" aufgestellt hat. Er behauptete, dass Nutzer:innen eine Website verlassen würden, wenn sie nach 3 Klicks nicht gefunden haben, was sie suchen. Sie seien danach frustriert und es gäbe schließlich genug alternative Websites. Auch in Usability-Tests berichten Nutzer:innen oft von zu vielen Klicks, wenn sie Schwierigkeiten bei der Bedienung einer Website haben.

Verlassen Besucher:innen eine Website wirklich nach 3 Klicks?

Wenn die Annahme zutrifft, dass Nutzer:innen nach 3 Klicks die Seite frustriert verlassen, sollte sich das in ihrem Surfverhalten und ihrer Zufriedenheit widerspiegeln. Ein Test aus dem Jahr 2003 hat genau das untersucht: https://articles.uie.com/three_click_rule/

  • Untersucht wurde, nach wie vielen Klicks Nutzer:innen ihre Aufgabe erfolgreich abgeschlossen oder aufgegeben haben.
  • Danach wurden die Nutzer:innen befragt, wie zufrieden sie mit der Nutzung waren.

Das Ergebnis zeigte, dass Nutzer:innen weder nach 3 Klicks aufgaben noch dass sich nach 3 Klicks eine besondere Unzufriedenheit einstellte.

Auch Usability-Expert:innen wie Jakob Nielsen betonen, dass sich nie empirische Beweise für diese Regel finden ließen und dass sie daher als Usability-Regel ungeeignet ist.

Aber warum ist das so?

3-Klick-Regel vs. Usability

Der Kern von Usability besteht darin, den Aufwand für Nutzer:innen auf ein Minimum zu reduzieren. Dabei spielt in der Regel die kognitive Belastung bei entsprechenden Aufgaben eine wichtige Rolle. Wichtige Fragen sind, wer genau die "Nutzer:in" ist (Bedürfnisse, Absichten, Vorwissen etc.) und in welchem Kontext sie die Website verwendet.

Das Problem mit der 3-Klick-Regel ist, dass ein einzelner Faktor als führendes Qualitätskriterium für die Bewertung angenommen wird. Diese Verallgemeinerung ist irreführend, weil sie dem Klick mehr Bedeutung beimisst, als er tatsächlich hat.

Wer die Anzahl der Klicks über andere Kriterien stellt, erreicht nicht automatisch eine bessere Bedienbarkeit. Das wäre so, als würde man behaupten, dass ein Quiz immer einfacher ist, wenn es weniger Fragen hat.

Am Ende bestimmt das Zusammenspiel verschiedener Faktoren die Schwierigkeit einer Aufgabe oder die Benutzerfreundlichkeit.

Ein Praxisbeispiel

Ein B2B-Produkthersteller generierte über seine Website Vertriebsanfragen für Produkte. Mit der Conversionrate war er unzufrieden, also wurde ein Usability-Test durchgeführt, um das Problem zu ergründen und eine entsprechende Lösung zu entwickeln.

Ausgangssituation:

  • Mit einem Klick auf den Menüpunkt "Produkte" fanden sich Links zu jedem der 12 Produkte des Herstellers in einem Untermenü, neben anderen Navigationspunkten wie Anwendungsbeispielen, Downloads und Zubehör.
  • Auf der Detailseite der Produkte befanden sich neben Produktinformationen auch der Aufruf zur Vertriebsanfrage.

Dieser Prozess wurde mit einigen Probanden in Form eines qualitativen Usability-Tests (Think-Aloud) untersucht.

Die wichtigsten Ergebnisse waren:

  • Proband:innen hatten Schwierigkeiten, ein passendes Produkt auszuwählen, da sie durch die reine Auflistung in der Navigation nicht wussten, welches Produkt ihren Bedürfnissen entsprachen.
  • Zudem gaben Proband:innen an, Probleme zu haben, relevante Informationen auf den Produktseiten zu finden, um Produkte miteinander zu vergleichen.

Die Lösung:

Die Produktauflistung wurde aus dem Untermenü entfernt.

Dies wurde durch einen Navigationspunkt "Produktübersicht" mit entsprechender Seite ersetzt. Auf dieser Seite wurden alle Produkte in vier Kategorien kurz erklärt. Das gab den Nutzer:innen eine bessere Übersicht und erleichterte die Auswahl.

Die Produktdetailseiten wurden überarbeitet und die für die Nutzer:innen relevanten Informationen wurden an den Anfang der Seite in einer Übersicht platziert.

So fanden Nutzer:innen wesentlich besser zu passenden Produkten. Dies spiegelte sich nach dem Livegang in einer Verdoppelung der Vertriebsanfragen wider.

Der zusätzlicher Klick sorgte hier für eine Vereinfachung. Durch diesen zusätzlichen Schritt im Prozess und ergänzenden bzw. passend aufbereiteten Inhalten werden die Nutzer:innen besser bei ihrer Aufgabe unterstützt.

Fazit

Der 3-Klick-Mythos hat eine gute Absicht: den Aufwand für die Nutzer:innen zu reduzieren. Man sollte jedoch die Zeit betrachten, aus der sie stammt: Wer sich an das Internet der 1990er erinnern kann, weiß, wie lange das Laden einer Seite dauern konnte.

Dennoch ist diese Regel zur Beurteilung von Usability ungeeignet. Die Reduzierung von Interaktionen ist sinnvoll, aber nur, wenn es dadurch im Gesamtkontext für Nutzer:innen einfacher wird. Der kürzeste Weg ist nicht immer der schnellste. Und der schnellste Weg ist auch nicht unbedingt der einfachste.

Bei meiner Recherche bin ich auf medium.com auf die One-Click-Regel gestoßen, die genau das beschreibt, was ich denke:

“Every click or interaction should take the user closer to their goal while eliminating as much of the non-destination as possible.”

Frei übersetzt: Jeder Klick sollte den Nutzer seinem Ziel näher bringen und nicht relevante Optionen in den Hintergrund treten lassen. Oder wie Steve Krug es gesagt hat:

“It doesn’t matter how many times I have to click, as long as each click is a mindless, unambiguous choice.”

Steve Krug,

Don't Make Me Think: A Common Sense Approach to Web Usability

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