Bereits zum vierten mal machte ich mich im September auf den Weg ins sonnige Köln und besuchte die Zukunft Personal, Europas größte HR Messe. In diesem Jahr standen für mich die Themen Recruiting, Digitalisierung, New Work und Agiles Arbeiten im Focus. Mit 770 Ausstellern und mehr als 450 Vorträgen, Keynotes oder Workshops war das Informationsangebot auch in diesem Jahr wieder sehr vielfältig und abwechslungsreich. Hier die Zusammenfassung meiner Highlights:
#1 – Recruiting
Der Fachkräftemangel kennt kein Ende, das ist nichts Neues. Interessant ist zu sehen, wie die Jobbörsen immer mehr erkennen, dass sie nicht nur aktive Jobsuchende ansprechen müssen, sondern ihren Kunden die Möglichkeit bieten wollen, auch die passiven Kandidaten (=Kandidaten, die bei einem passenden Angebot offen für einen beruflichen Wechsel sind, jedoch selbst nicht aktiv suchen), in manchen Bereichen sind das 80% der Fachkräfte, zu erreichen. So sind Xing und Prescreen eine Kooperation eingegangen, die zahlenden Unternehmen die Möglichkeit bietet Funktionen eines Bewerbermanagementssystems mit denen eines Businessnetzwerkes zu kombinieren. Mit One-Klick-Bewerbungen können Interessierte sich mit ihrem Xing-Profil bewerben, Bewerberdaten können mit Daten aus dem Xing-Profil ergänzt werden. Und die Unternehmen können im Xing-Netzwerk auf die Suche nach geeigneten Profilen gehen und diese direkt kontaktieren.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang: Die in den vergangenen Jahren bereits diskutierten Anleihen aus dem eCommerce halten immer mehr Einzug in den Bereich HR-Recruiting. Stepstone hat die intelligente Stellenausschreibung in der Pipeline: ihr Aussehen passt sich den Suchgewohnheiten der Nutzer an. Wer häufig nach dem Standort einer Stelle recherchiert, dem wird Google-Maps eingeblendet, während einem anderen Nutzer eher die Benefits weiter oben angezeigt werden. Indeed bewirbt die Indeed Targeted Ads. Funktionen aus dem Retargeting oder Empfehlungsmarketing von Produkten werden jetzt auch auf Stellenausschreibungen in Jobbörsen oder auch Karriereportalen von großen Unternehmen übertragen, nach dem Motto: Andere Bewerber haben sich auch folgende Stellenangebote angesehen.
Auch beim Thema Direct Recruiting tut sich nach wie vor einiges. Mittlerweile erkennen auch die Unternehmen, dass die Ansprache passiver Kandidaten immer wichtiger wird. Was jedoch tun, wenn die passiven Kandidaten keine Profile in den Business- oder Expertennetzwerken pflegen, weil sie dort schon zu viel mit Anfragen belästigt wurden? Barbara Braehmer von intercessio gab in Ihrer Keynote interessante Tipps, wie man über Datenspuren im Internet auch diese Kandidaten aufspüren und ansprechen kann. Eine gute Zusammenfassung der vorgestellten Methoden und Tools findet man in ihrem Blog unter anderem im Beitrag „Wie läuft der professionelle, erfolgreiche Active Sourcing Prozess ab?“

#2 – Digitalisierung
Auch für HR’ler ist die Digitalisierung eines der größten Themen. Arbeitswelten verändern sich grundlegend. Neue Formen der Zusammenarbeit werden möglich. Ganze Berufsbilder werden verschwinden, dafür neue entstehen. Die große Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder besprochen wurde: Welche Rolle spielen dabei die Personaler in den Unternehmen? Die Antwort: eine Entscheidende. Denn es sind die Menschen in den Unternehmen, die am Ende zusammenarbeiten. Und diese auf den Weg in die Digitalisierung zu begleiten, bzw. in den Unternehmen den Veränderungsprozess zu moderieren, sollte Aufgabe der Personaler sein. Die Mitarbeiter müssen auf neue Formen der Zusammenarbeit vorbereitet werden. Das Unternehmen als Arbeitgeber muss sich auf die neuen Anforderungen der Digitalisierung einstellen. Spannende Themenbeiträge in diesem Bereich waren:
- Agil-digital-lernende Organisationen: Vorstellung der Lernplattform Verstehe! durch Prof. Dr. Wolfgang Wicht
- Künstliche Intelligenz für HR – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen von Prof. Ina Kayser
#3 – Alle wollen Agil
Mein Eindruck: Alle wollen agiles Arbeiten, agile Teams, agiles Projektmanagement, sogar agiles Lernen wurde besprochen (siehe oben). Die große Frage: Wie kommt man dahin? Insbesondere die großen Unternehmen scheinen sich diese Frage zu stellen und suchen die Antworten bei den kleinen Agenturen oder Start-Ups: Diese berichten über ihren erfolgreichen Changeprozess. Wie sie es durch Einführung von Cross-funktionalen Teams und wahlweise Scrum oder Kanban geschafft haben, das Projektteams sich selbst steuern und durch Etablierung von Stand-Ups und Retros immer wieder Feedbackschleifen installiert werden, die eine schnelle und flexible Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen oder Entwicklungen ermöglichen. Einen bemerkenswerten Beitrag lieferte Wilma Pokorny-van Lochem in Ihrem Beitrag „Agile Teams – Die New Work Personality im Team der Zukunft“.

Ihre Fragestellung: Welche Persönlichkeitseigenschaften brauchen wir, wenn wir in Zukunft erfolgreich agil arbeiten wollen. Sie verglich die Anforderungen an Mitarbeiter von früher und heute:
Abarbeiten vs. eigene Ideen
Fehler vermeiden, Einfluss von oben akzeptieren vs. Selbständigkeit und Entscheidungen treffen
Kooperation im Team vs. Kollaboration auch über Teamgrenzen hinaus
Bekanntes beibehalten vs. Anpassungsfähigkeit
Um diese neuen Anforderungen bewältigen zu können bedarf es anderer Skills und Fähigkeiten als bisher. Sie beschreibt in diesem Zusammenhang den Begriff der Assertivität (Holländisch: Assertiviteit). Er kommt aus dem niederländischen und bezeichnet die Fähigkeit die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu kennen und benennen zu können, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Bedürfnisse und Grenzen anderer. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten zunehmenden Kollaboration in agilen Teams erscheint mir diese Fähigkeit ein entscheidender Faktor. Die Beschreibung von Assertiviteit bringt für mich beeindruckend einfach und logisch auf den Punkt, was es für erfolgreiche Kollaboration braucht, bzw. erklärt warum Kollaboration scheitert oder problematisch wird, wenn die beschriebenen Skills nicht vorhanden sind.
Der Autor
Michael Witzke, 47 Jahre, ist seit 2014 Personalmanager bei der Cybay New Media GmbH und seit über 15 Jahren im Recruiting tätig. Er ist sowohl Berater als auch Praktiker im Bereich Strategisches (Online) Recruiting von Fach- und Führungskräften.