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Barrierefreies Internet - Titelbild

Barriefreiheit bei öffentlichen Websites bald Pflicht – Hürden und Chancen

Die EU-Richtlinie 2102 schreibt vor, dass die Online-Auftritte öffentlicher Stellen (mindestens zu 50% in öffentlicher Hand) ab September 2020 barrierefrei sein müssen. Aber viele Unternehmen richten sich inzwischen auch freiwillig auf Barrierefreiheit aus, da sie unbestreitbare Vorteile und Potentiale bietet. Für dieses komplexe Thema wollen wir einen Einblick in das Vorgehen geben und beschreiben, was es grundsätzlich zu beachten gilt.

Barrierefreiheit im Internet – was bedeutet das?

Das Internet wird von naheu allen genutzt. Darunter befindet sich eine große Zahl von Menschen, welche körperlichen oder geistigen Einschränkungen unterliegen. Auch diese Menschen wollen und sollen Online-Angebote uneingeschränkt nutzen können.

Dazu gilt es, die Website so zu gestalten, dass möglichst viele Menschen mit Einschränkungen diese auch bedienen können. Welche das sind und wie die Maßnahmen zur Barrierefreiheit umgesetzt werden müssen, ist festgehalten in den „Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.0“ (ISO/IEC 40500)

Die vier fundamentalen Prinzipien barrierefreier Webinhalte

 
  • Prinzip 1: Wahrnehmbar
    Informationen und Bestandteile der Benutzerschnittstelle müssen den Benutzern so präsentiert werden, dass diese sie wahrnehmen können.
  • Prinzip 2: Bedienbar
    Bestandteile der Benutzerschnittstelle und Navigation müssen bedienbar sein.

  • Prinzip 3: Verständlich
    Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.

  • Prinzip 4: Robust
    Inhalte müssen robust genug sein, damit sie zuverlässig von einer großen Auswahl an Benutzeragenten einschließlich assistierender Techniken interpretiert werden können.

Jedes dieser Prinzipien enthält einen umfassenden Katalog an Anforderungen und Maßnahmen.

Beispiele für Barrieren bei der Website-Bedienung (keine vollständige Liste)

Barrierefreiheit umfasst ein weites Feld an Behinderungen, einschließlich visueller, auditiver, motorischer, sprachlicher, kognitiver, Sprach-, Lern- und neurologischer Behinderungen. Hier nur einige Beispiele für die Komplexität der Problemstellung:

Eingeschränkte Sehfähigkeit und Blindheit

Manche Menschen können nur eingeschränkt oder gar nicht sehen. Hier gilt es, die optische Gestaltung der Website so umzusetzen, dass Kontraste klar erkennbar sind und Schrift gut lesbar ist, z.B. durch eine ausreichend große oder anpassbare Schriftgröße.

Viele dieser Nutzer verwenden auch Screenreader, welche die Inhalte einer Website vorlesen. Bei jedem Seitenaufruf werden also auch wiederkehrende Elemente wie die Navigation vorgelesen. Hier gilt es, die Website strukturell sauber aufzubauen und inhaltlich nicht zu überfrachten. So können Nutzer die Inhalte einer Seite auch mit Screenreader schnell erfassen und sauber navigieren.

Außerdem müssen die Elemente der Website derart im Quelltext ausgezeichnet werden, dass der Reader die richtigen Inhalte in der richtigen Reihenfolge vorliest. Es können hier auch Elemente gesondert für den Screenreader ausgezeichnet werden – beispielsweise Symbole oder kontextbezogene Inhalte. Was für Nutzer mit normaler Sehfähigkeit durch optische Gestaltung selbstverständlich ist, erschließt sich einem Nutzer mit Screenreader möglicherweise nicht sofort. Gerade die Gestaltungsgesetze (insb. Gesetz der Nähe) sind hier oft nicht mehr gültig.

Auch Farbenblindheit kann Barrieren erzeugen. Wenn beispielsweise Warnmeldungen sich vor allem auf die Farbe rot stützen und anderweitig nicht ausreichend erkennbar sind (z.B. rote Unterstreichung bei nichtausgefüllten Formular-Pflichtfeldern ohne textuelle Erklärung und gebräuchliche Symbolik), kann es sein dass farbenblinde Nutzer nicht oder nur langsam erkennen, was die Website ihnen nun eigentlich mitteilen möchte.

Dies kann tiefgreifende konzeptionelle und gestalterische Änderungen mit sich bringen.

Motorische Einschränkungen

Menschen mit motorischen Einschränkungen bishin zur teilweise oder vollständigen Lähmung nutzen eine Vielzahl alternativer Eingabegeräte, statt Tastatur und Maus oder Smartphone. (Man denke nur an Stephen Hawking) Es ist sicherzustellen, dass eine barrierefreie Website damit kompatibel ist und vollständig bedient werden kann. Dazu muss die Website gewisse „Hygienevorschriften“ beachten, damit alle (Spezial-)Browser (User Agents) diese korrekt interpretieren können. Diese Hygieneaspekte sind in den allermeisten Fällen in vorhandenen Webseiten nicht oder nur ungenügend berücksichtigt.

Geistige Einschränkungen

Viele Menschen stehen vor einer Herausforderung, wenn sie komplexe Sachverhalte erfassen sollen. Daher bietet man beispielsweise Texte (möglicherweise optional) in leichter Sprache oder einfacher Sprache an.

Umstellung auf barrierefreie Inhalte: Vorgehen

Erfolgskriterien für Barrierefreiheit und welche Kompetenzen es braucht

Möchtest bzw. musst du deine Webinhalte barrierefrei gestalten, so ist dies kein einfaches Unterfangen. Die Kriterien des WCAG sind bewusst so gehalten, dass sie testbar und bewertbar sind. Es reicht also nicht, hier nur punktuell oder nach Bauchgefühl vorzugehen. Um WCAG-Konformität zu erreichen, muss ein Großteil der Vorgaben erfüllt werden. Es gibt hier also keinen Blumentopf zu gewinnen mit guten Vorsätzen, sondern klar definierte Vorgaben für Erfolg und Misserfolg.

Die hierbei zur Anwendung kommenden Maßnahmen betreffen jeden Bereich der Website-Entwicklung. Von Backend-Entwicklung über Frontend-Entwicklung bishin zu Konzept, Design und Inhalten. Je nachdem, wie dein Unternehmen in diesen Bereichen personell aufgestellt ist, kannst du diese Maßnahmen inHouse umsetzen. Dazu bedarf es eines übergreifenden verantwortlichen Koordinators (optimalerweise ein Projektmanager).

Gleich vorweg: Ein „All-in-One“ Webdesigner wird in der Regel nicht über die nötigen Fachkompetenzen zur WCAG-konformen Umsetzung verfügen.

Den Anfang finden: Audit und Analyse durch zertifizierten Drittanbieter

Um überhaupt erstmal die „Baustellen“ zu identifizieren, solltest du die Website von einem zertifizierten Anbieter analysieren lassen. Hierbei wird in der Regel aus Zeit- und Kostengründen nicht auf die gesamte Website eingegangen, sondern auf eine Reihe ausgewählter Kernseiten oder Templates.  Über https://www.bitvtest.de/start.html findest du entsprechend zertifizierte Agenturen, die BITV-Tests durchführen können.

Du erhältst im Anschluss einen Prüfbericht, der dir Aufschluss gibt über Änderungsnotwendigkeiten. Der Aufwand kann hier natürlich variieren. Offen gestanden lohnt sich hier in den meisten Fällen ein Relaunch, also ein kompletter Neuaufbau der Website. Wenn man überall, ohne Gesamtkonzept, anfängt zu „flicken“, bleibt oft eine wenig ansehnliche und noch weniger performante Website zurück. Da die Umstellung auf Barrierefreiheit alle Bereiche der Website betrifft, muss sowieso alles angefasst werden – das Konzept der vorhandenen Website wird dabei oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Agenturen mit Barrierefreiheit im Portfolio sind rar

Je nachdem, um was für ein Unternehmen es sich bei dir handelt, kann der Aufwand aber auch vergleichsweise gering ausfallen. Beispielsweise wenn die Kernfunktion deines Angebots sich auf wenige Unterseiten beschränkt.

Du kannst aber auch eine Agentur beauftragen, dir diese Arbeit abzunehmen. Achte hierbei unbedingt darauf, dass die Agentur bereits Erfahrungen mit barrierefreien Websites hat, denn bisher wurde das Thema eher stiefmütterlich behandelt. Es gibt bisher kaum eine handvoll Agenturen in Deutschland, die Barrierefreiheit in ihr Portfolio aufgenommen haben.

Zum Einen benötigt es eine entsprechend breite personelle Aufstellung mit tiefgehender Fachkompetenz in allen Bereichen, die viele Agenturen nicht abdecken können. Zum Anderen sind öffentliche Unternehmen auch beim Vertrieb oft eher unbeliebt. Ein wichtiger Punkt ist aber auch, dass in den Richtlinien für Barrierefreiheit meist ein Korsett gesehen wird, welches die freie, kreative Gestaltung von Website und unterliegender Technik massiv einschränkt – und somit auch bei den Mitarbeitern selten auf Begeisterung stößt.

Barrierefreiheit: Unliebsamer Fluch oder heimlicher Segen?

Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. Tatsächlich sind die Richtlinien für alle Beteiligten in vielerlei Hinsicht ein Segen. Und es ist auch keineswegs so, dass diese nur der Barrierefreiheit dienen: Es ergeben sich massive Synergien. 

Vorteile:

  • Technisch saubere Umsetzungen, vollständige und semantisch korrekte Auszeichnungen, klare inhaltliche Strukturen sind der Traum jedes Entwicklers, Online Marketers und Konzepters.
  • Die Anforderungen an eine barrierefreie Website entsprechen nahezu 1:1 den Anforderungen an hochwertige Suchmaschinenoptimierung (SEO) - beispielsweise arbeitet ein Suchmaschinencrawler prinzipiell genauso wie ein Screenreader.
  • Anforderungen der BITV 2.0 haben eine sehr große Schnittmenge mit Normen und Richtlinien für Usability und Ergonomie, ein Aspekt positiver User Experience.

Die Umstellung auf Barrierefreiheit kann sich also auch wirtschaftlich sehr positiv auswirken und es profitieren alle Nutzer davon.

Indessen haben alle Beteiligten klare Richtlinien und Vorgaben auf schwarz und weiß, nach denen es sich zu richten gilt – somit gibt es auch viel weniger Potential für Diskussionen über falsche/enttäuschte Erwartungen, optische Vorlieben und dergleichen mehr. Gleichzeitig bieten die Richtlinien immer noch ausreichend Spielraum, um einen einzigartigen, einprägsamen und schönen Webauftritt zu gestalten – wenn die Umsetzenden dem Thema mit offenen Armen gegenüberstehen.

Als wir dies bei Cybay erkannt haben, haben wir Mitarbeiter aus allen Fachbereichen an einen Tisch gebracht, denn für eine erfolgreiche Umsetzung muss sich jeder Mitarbeiter mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzen – und nicht nur oberflächlich. Denn es gibt viele Überschneidungen zwischen den Fachbereichen. Dazu habe ich ein Flowchart erstellt, welches absolut nicht vollständig ist, aber die grundsätzliche Dynamik des Themas gut veranschaulicht.

Barrierefreie Websites betreffen alle Bereiche der Webentwicklung und überschneiden sich häufig.
Einfaches Flowchart mit einigen (aber längst nicht allen) Anforderungen an barrierefreie Websites.

Fazit: Pflicht oder Chance?

Das Thema Barrierefreiheit ist wahnsinnig komplex. Aber es nur als unliebsame Pflicht zu sehen, wäre zu kurz gedacht. Es bietet dank mannigfaltiger Synergien riesige Chancen und Vorteile für ALLE Nutzer und die Suchmaschinen obendrein. Von dem integrativen Mehrwert mal ganz abgesehen.

Also: Machen. Gerne mit Cybay 😉

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Just Bienek
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Juri Bienek | Online Marketing Manager

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Christoph Kruse
Business Development Manager

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